Alle reden von Digitalisierung – doch wo bleibt die Künstliche Intelligenz in der Berufsbildung?
Warum AI zur Grundkompetenz werden muss – ein Beitrag von Rolf Siebold
24. Mai 2025
Rolf Siebold, Bildungsexperte und Vorstandsmitglied der IGGB, beobachtet:
Wir sprechen viel über Digitalisierung, aber verschweigen den eigentlichen Kern der Transformation: Die Künstliche Intelligenz.
Es ist an der Zeit, den Blick zu schärfen. AI darf nicht länger als etwas Zukünftiges behandelt werden. Sie ist längst Teil des beruflichen Alltags, auch wenn sie in der Ausbildung oft noch fehlt.
Sie gehört ins Zentrum jeder beruflichen Grundbildung.
Von der Gebäudetechnik bis zur Pflege, von der Logistik bis zum Detailhandel.
Wir bilden noch immer für eine Welt aus, die es längst nicht mehr gibt.
Der blinde Fleck in der Berufsbildung
Über Digitalisierung wird viel gesprochen. Aber dort, wo sie am stärksten wirkt, wie z.B. bei automatisierten Entscheidungen durch AI, bleibt das Bildungssystem erstaunlich still.
Statt mit intelligenten Anwendungen zu arbeiten, hantieren Lernende mit digitalen PDF-Kopien von Lehrmitteln. Die Praxis bleibt zurück.
AI ist der blinde Fleck in der Berufsbildung. Und dieser Fleck wächst – leise, aber stetig!
In Gesundheitsinstitutionen analysieren AI Systeme längst Vitaldaten. In der Gebäudetechnik übernehmen lernende Steuerungen. Die Systeme sind da. Doch in der Ausbildung sind sie kaum sichtbar. Dabei ist alles vorhanden: Die Werkzeuge, das Wissen und die Notwendigkeit dafür.
Was fehlt, ist der Schritt nach vorn und der Mut, ihn jetzt zu gehen.
Diese Lücke betrifft nicht nur Lernende. Auch Ausbildende müssen mitwachsen. Die Auseinandersetzung mit AI gehört heute zur Qualitätsentwicklung im Berufsbildungssystem.
Wer ausbildet, muss AI verstehen. Dies nicht im Detail, aber im Prinzip: Technisch. Didaktisch. Ethisch.
Denn nur wer versteht, kann verantwortungsvoll begleiten.
Bestätigung aus der Forschung: AI als Schlüsselkompetenz
Diese Sichtweise ist nicht nur eine Beobachtung aus der Praxis. Auch Forschung und Analyse bestätigen sie.
Urs Gattiker, Gründer der Plattform DrKPI, betont:
„AI-Kompetenzen sind entscheidend für die Zukunft der Arbeitswelt. Sie gehören nicht nur in Spezialdisziplinen, sondern in alle Berufsausbildungen.“
Er fordert klare Ziele, nachvollziehbare Rollen und messbare Entwicklungsschritte. Nur so werde aus Vision wirksame Bildung.
„Künstliche Intelligenz darf nicht als Zusatzwissen betrachtet werden. Sie muss integraler Bestandteil der Ausbildung werden.“
Mehr zu diesem wichtigen Thema finden Sie hier: https://drkpi.com/de/category/innovative-technologien-der-zukunft/
AI betrifft alle – nicht nur Technikberufe
AI verändert mehr als nur Maschinen. Sie verändert Prozesse, Kommunikation und Entscheidungen.
- In der Pflege unterstützt sie Frühwarnsysteme.
- In der Logistik optimiert sie Warenflüsse.
- Im Detailhandel analysiert sie Kundenverhalten.
- Im Service hilft sie bei der Terminvergabe.
Kurz: AI ist überall dort, wo Menschen arbeiten.
Deshalb muss sie auch in jede Ausbildung. Nicht als Spezialmodul, sondern als Grundverständnis!
Was jetzt zu tun ist
Damit AI selbstverständlich wird, braucht es konkrete Schritte:
- Ein AI Basismodul für alle Berufe (nah an der Praxis, abgestimmt auf Berufsfelder)
- Pflichtweiterbildungen für Ausbildende (für technisches und pädagogisches Verständnis)
- Digitale Lernumgebungen mit realen AI Anwendungen (in Werkstätten, Schulzimmern und Übungszentren)
- Projektorientiertes Lernen mit AI Bezug (damit Theorie und Anwendung zusammenwachsen)
Fazit: Bildung muss Zukunft vermitteln – nicht Vergangenheit verwalten
Die Arbeitswelt verändert sich schneller, als viele Lehrpläne überarbeitet werden. Systeme, die noch vor Kurzem experimentell waren, sind heute Standard.
Wenn die Berufsbildung das nicht abbildet, entsteht eine Lücke. Eine fachliche, aber auch eine gesellschaftliche.
AI ist nicht Zukunft. Sie ist Gegenwart.
Künstliche Intelligenz entfaltet ihr Potenzial nur dort, wo Menschen verstehen, wie sie funktioniert und wofür sie eingesetzt wird.
Wer AI sowohl fachlich als auch gesellschaftlich einordnen kann, bleibt in der Lage, mit ihr verantwortungsvoll und selbstbestimmt umzugehen. Und genau darum geht es: Um Handlungsspielraum, nicht um Kontrollverlust.
Jetzt ist der Moment, Verantwortung zu übernehmen. Nicht nur für die Technologie selbst, sondern vor allem für jene, die künftig mit ihr arbeiten, gestalten und entscheiden werden.
Über den Autor
Rolf Siebold ist Vorstandsmitglied der IGGB (Interessengemeinschaft Gebäudetechnik Bildung). Er unterstützt Bildungsinstitutionen dabei, digitale Entwicklungen wie Künstliche Intelligenz gezielt in Lehrpläne und Ausbildungspraxis zu integrieren. Sein Ziel: Menschen befähigen, in einer zunehmend vernetzten Welt selbstbewusst und kompetent zu handeln.